Quelle: Ausgabe 11 vom 17.03.2010


Superstars in Gefangenschaft

Die einen finden Knut & Co. einfach nur niedlich, die anderen kritisieren das Zurschaustellen der Tiere als reine Geschäftemacherei.


Eisbär Knut hat dem Zoo weltweite Beachtung eingebracht
und viel Geld in die Kassen gespült.
Foto: Augen-Blick

Knut ist auch heute immer noch ein Anziehungspunkt,
wenn auch so manche Medien das versuchen herunterzuspielen.
Foto: Natty


Berlin. Es herrscht Krieg zwischen den Tierschützern von Peta Deutschland und der Geschäftsführung des Hauptstadt-Zoos, wie Zoologischer Garten mit Aquarium und der Tierpark in Friedrichsfelde gemeinsam firmieren. Immer wieder geißeln die Tieraktivisten die Praktiken der modernen Zoowirtschaft. Jüngster Coup: Peta fordert die Kastration von Eisbär Knut. Doch bei den Besuchern ist die Neugierde auf die Jungtiere ungebrochen.

Schon in der Vergangenheit haben die Tieraktivisten den Zoo massiv kritisiert: Nachwuchs werde nicht aus artgerechten Gründen gezüchtet, sondern um mit potenziellen Kunden wie Tierhändlern oder anderen Parks ins Geschäft zu kommen. Oder aber, um Attraktionen für die Besucher zu schaffen. Später müssten dann die Jungtiere irgendwie „entsorgt“ werden, um Platz für die Besuchermagneten des nächsten Jahres zu schaffen, kritisiert Peta.


Knut zum Kuscheln

„Tierschützer wollen Knut enteiern“, „Tierschützer gegen Inzucht-Sex im Bären-Gehege“, „Giovanna muss weg, damit Knut kein Eunuch wird“, so die Schlagzeilen der vergangenen Wochen. Die Aufregung ist groß. Die Verantwortlichen des Hauptstadt-Zoos bleiben gelassen. Eisbärin Giovanna sei ohnehin nur noch bis Herbst in Berlin, dann kehre sie in ihr renoviertes Gehege nach München zurück. Ferner seien die Tiere noch nicht geschlechtsreif. Bären-Kurator Heiner Klös: „Die Inzuchtgefahr bei dieser weitläufigen Verwandtschaft ist gering.“

Seit drei Jahren ist Knut unangefochtener Superstar unter dem Zoo-Nachwuchs und Besucherliebling. Der heute drei Jahre alte Halbwüchsige war eine Handaufzucht seines inzwischen verstorbenen Pflegers Thomas Dörflein und entwickelte sich zum weltweiten Medienphänomen. Das Knut-Fieber spülte dem Zoo durch sprunghaft gestiegene Besucherzahlen Millionen Euro an Mehreinnahmen in die Kassen, und noch heute ist das Gehege von in- und ausländischen Besuchern umlagert. Der dortige Souvenirstand bietet an besuchsstarken Tagen Plüsch-Knuts in allen Größen und Preislagen.

Gegen das „Geschäft mit Wildtieren“ läuft Peta immer wieder Sturm, auch mit juristischen Mitteln wie Anzeigen gegen die Verantwortlichen. Ohnehin scheinen sich in den Tierschutzaktivisten und Direktor Bernhard Blaszkiewitz „Lieblings-Feinde“ gesucht und gefunden zu haben. Auf die Frage nach den Kritikern ist vom Direktor nur ein unverständliches Grummeln zu vernehmen.

Trotz der Grundsatzdebatte über die Tierhaltung scheint die Liebe der Berliner zu Zoo und Tierpark ungebrochen: Rund drei Millionen Besucher wurden im vergangenen Jahr im Zoologischen Garten gezählt, etwa 950.000 im Tierpark.

Jungtiere bei Menschenaffen, Bären, Elefanten, Nashörnern und Giraffen erregen große Aufmerksamkeit und viel Sympathie bei den Besuchern. Erfolgreiche Nachzuchten bei Tierarten, die vom breiten Publikum kaum wahrgenommen werden, feiert die Fachwelt mitunter als bedeutend, wenn nicht sogar als Weltsensation.

Mutter und Sohn Panzernashorn liegen Kopf an Kopf dösend in ihrem Gehege des Elefantenhauses im Tierpark. Der kleine Taren, geboren am 17. Januar, streckt den kleinen Körper im Schlaf, Mutter Jhansi hebt aufmerksam das mächtige Haupt. Als der gleichmäßige Atem des Jungen einsetzt, entspannt die Nashornkuh, schiebt ihr Maul kuschelnd an den Kopf des Kleinen, dessen zarte Haut noch keine Spur vom namengebenden Panzer zeigt. „Ich komme mindestens einmal die Woche. Der Kleine ist sooo süß“, sagt Gertrud Siegmann aus Lichtenberg.

Gehege mit Jungtieren sind in Tierpark und Zoo gleichermaßen umringt von Besuchern, so auch im Nashornhaus des Zoos. Soeben war eine schwere Metalltür scheppernd bewegt worden, wohl ein Hinweis auf die baldige Fütterung. Mutter Maruri streicht aufgeregt durch die Box der Spitzmaulnashörner. Tochter Kigoma, geboren am 7. Februar, steckt schnuppernd den kleinen Kopf durch die Gitterstäbe, lugt neugierig in Richtung Besucher. Fotoapparate klicken. Kigoma hält neugierig still, wie ein geübtes Model. Ein verklärtes Lächeln bei einem jungen Vater, dem ein Schnappschuss geglückt ist. Dem Charme der Jungtiere erliegen eben viele.


Interessante Nachzuchten

Die beiden Mininashörner gehören zu den Stars unter den diesjährigen Jungtieren. Das Zeug zum Publikumsliebling hat auch Bonobo Likema. Das Zwergschimpansenmädchen ist bereits im Oktober 2009 geboren worden. Wo gibt es weitere interessante Nachzüchtungen? „Überall, überall“, sagt Direktor Bernhard Blaszkiewitz.

Eine Entdeckung auch für routinierte Zoobesucher könnte eine ganz gewöhnliche Tierart sein: Zu den unspektakulären Zoobewohnern zählt eine Reihe Hauskatzen, die eine wichtige Aufgabe erfüllen. Sie bewegen sich frei auf dem Areal und haben ihre Reviere markiert: So verhindern sie unliebsame Besuche streunender Katzen, die die Zootiere aufschrecken und Krankheiten einschleppen könnten.

Matthias Berner