Tag der offenen Tür im IZW


Gesprächsnotiz von Anneliese Klumbis

Foto aus der Pressekonferenz am 01.04.2011 (aus tv-berlin)

 

 

Tag der offenen Tür im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, 10.7.2011

 

 

Hier die Informationen, die ich während des „Tages der offenen Tür“ erhielt. Ich hoffe, dass ich alles richtig verstanden habe und wiedergebe, kann aber Fehler und Ungenauigkeiten nicht ausschließen..

 

Auskünfte von Frau Dr. Claudia Szentiks, Tierpathologin, zu Knuts Tod, im Anschluss an ihren Vortrag: Was sagen uns die toten Tiere?

 

Ursache des Todes: Knut hatte eine Hirnerkrankung/Hirnentzündung (Enzephalitis?), vermutlich durch einen Virus verursacht. Neben dem Virus, der noch nicht identifiziert ist, wird noch der Möglichkeit einer Verursachung durch einen Parasiten nachgegangen. Eine parasitär verursachte Erkrankung sei eher unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen.

Es gibt eine unübersehbare Vielzahl von Viren und Parasiten und es entstehen ständig neue bzw. die bekannten verändern sich. Die Suche kann also sehr schwierig sein.

 

Der Schädel wurde geöffnet; äußerlich war dem Gehirn keine eindeutige Erkrankung anzumerken. Es wurde aber eine geringfügige Anomalie festgestellt, sog. Ventrikel(Kammer)-Vergrößerungen und eine ganz leichte Asymmetrie. Die Veränderungen in Knuts Hirn waren offenbar auf den ersten Blick unter dem Mikroskop erkennbar, bei der Untersuchung von Hirnsegmentscheiben. Die Hirnsegmentfläche zeigte Entzündungen an. Eine Aufnahme dieses Hirnsegments hat Frau Dr. Sz. während ihres Vortrags gezeigt und erklärt.

Knut wäre laut Frau Dr.Szentiks binnen kurzer Zeit an dieser Hirnerkrankung gestorben. Wahrscheinlich war es ein gnädiges Schicksal, dass er innerhalb kürzester Zeit ertrunken ist (sage ich).

 

Knut hatte eine Art epileptischen Anfall erlitten. Dabei erfolgt eine körperinterne Ausschüttung von Substanzen, die Muskelkrämpfe erzeugen, welche die Kontrolle des Körpers blockieren (und das Bewusstsein?). Der Laie mag sich das vorstellen wie die Entladung eines Gewitters im Gehirn.

Während dieses Anfalls ist Knut ins Wasser gefallen und es drang Wasser tief in die Lungen ein, was zum Ertrinken führte. Die Lunge war voll ausgefüllt mit Wasser inklusive der im Wasser enthaltenen Pflanzenpartikel. Er war nur zu ein bis zwei Paddelbewegungen in der Lage. Wegen der anfallbedingten Krämpfe konnte Knut sich nicht aus dem Wasser befreien. Vermutlich hat er davon nichts mitbekommen.

 

Warum hat man Knut seine Schmerzen nicht angemerkt? Frau Dr. Szentiks meint, er müsse Schmerzen gehabt haben. Das sei äußerst wahrscheinlich, bei der großflächigen Entzündung des Gehirns. Wildtieren merkt man Krankheiten nicht an, sie sind instinktiv Meister der Selbstbeherrschung, weil sie sonst als Opfer für Fressfeinde prädestiniert sind. Eine Zuhörerin fragte, welche Feinde denn Eisbären hätten. Die Antwort ist klar: Die anderen Eisbären natürlich.

Eine interessante Frage wäre für mich, ob Knut über das instinktive Verhalten hinaus eine konkrete Gefahr annahm (ob er also befürchtete, von der aggressiv sich verhaltenden Katjuscha getötet zu werden).

 

Seit wann musste Knut als erkrankt gelten?  Bei der Untersuchung im September 2010 anlässlich des Wechsels des Geheges galt Knut als pumperlgesund, wog 260 kg . Die Blutuntersuchung hatte nichts ergeben. Allerdings hat man das Blut im September 2010 (wie üblich) nur auf einige Faktoren und Indikatoren hin untersucht. Es ist also nicht auszuschließen, dass er schon erkrankt war, dass man das Blut aber nicht auf die ursächliche Erkrankung hin untersucht hatte. Das entspreche aber dem normalen Vorgehen, man könne nicht die Fülle aller erdenklichen (und erst recht nicht der unbekannten) Erreger und Indikatoren erfassen.

 

Frau Dr.Szentiks meint, dass die Todesraten in den meisten Zoos ungefähr gleich hoch seien. Auch der hochgelobte Hannoveraner Zoo liege im Durchschnitt. Einmal habe es überdurchschnittliche  Todesraten in einem norddeutschen privaten Tierpark gegeben. Die Ursache habe man in verseuchtem Tierfutter gefunden. Man versuche von Seiten der Zoos nur einwandfreies Futter zu verwenden. 

 

Was geschieht mit den toten Tieren, wenn man sie untersucht hat? Zootierkadaver würden in einer Mecklenburger Verbrennungsanlage entsorgt. Man würde dort auch Wärme gewinnen, zusätzlich noch andere Dinge verbrennen, damit sich die Energie-Erzeugung lohnt. Es werde aus Sicherheitsgründen also nicht etwa Katzenfutter aus ihnen gemacht.  Alle toten Zootiere gelten als kontaminiert und werden deswegen zur Verbrennungsanlage transportiert. Das geschah auch mit Knuts Leib. Von ihm geblieben ist sein Fell, welches im Museum für Naturkunde aufbewahrt wird. Das Skelett ist nicht dort. Es ist anzunehmen, dass das Skelett sich noch im IZW befindet, ebenso Segmentscheiben seines Gehirns. Vielleicht existieren auch noch andere Gewebeproben, zum Beispiel der Nebennieren (Stressuntersuchung), das habe ich vergessen zu fragen, ist aber anzunehmen.

Meine Vermutung ist, dass man den „ausgestopften Knut“ erst in einigen Jahren im Museum für Naturkunde präsentieren wird, wenn sich die Emotionen gelegt haben.

 

Untersuchung von Knut: Knuts Körper wurde außer der üblichen Untersuchung der äußerlichen Merkmale und der inneren Organe mit dem neuen Kernspintomographie-Gerät des Instituts („Röhre“ – die Röhre ist aber kein geschlossener Behälter sondern eine offene Auflagefläche, die sich durch eine Art Reif bewegt) untersucht, den wir bei der Führung durch den Leiter, Herrn Prof. Heribert Hofer besichtigen durften. Sie können mit/in dieser Röhre Tiere bis zu 300 kg Gewicht untersuchen. Knuts Körper sei im Institut überhaupt sehr aufwendig und intensiv untersucht worden, wie auch Frau Dr.Szentiks hervorhob. Sie habe wegen des großen öffentlichen Interesses Tag und Nacht gearbeitet. Sechs Mitarbeiter waren mit Knuts Körper befasst. Prof. Hofer sagte, der einzige Ort, an dem Knut bzw. Teile von Knut nicht untersucht worden sei, sei das Elektronenmikroskop.

 

Dr. Thomas Hildebrandt,  Mitarbeiter des Institutes, in der DLF-Sendung („Zwischentöne“) am 24.7.2011: Bei dieser Kernspintomographie-Untersuchung hat man mit einem bildgebenden Verfahren als Hilfe für die Pathologen den gesamten Körper virtuell in 0,5mm dicke Scheiben „geschnitten“, diese aufgenommen und dargestellt. Man stellte eine leichte Ventrikel(Kammer)-Vergrößerung des Gehirns fest und hatte damit einen Hinweis, in welche Richtung weiter zu untersuchen war. Das Gehirn erwies sich dann als großflächig entzündet, was mit einer vermehrten Produktion von Flüssigkeit im Gehirn verbunden war. Vielleicht lag darin eine Ursache für die leichte Kammervergrößerung.

(Anmerkung: Den Kernspintomographen hat das Insitut erst seit kurzer Zeit, er ist ihnen im Rahmen eines Konjunktur-Ankurbelungsprogrammes vom Senat spendiert worden. Die bildgebenden Verfahren werden in Kooperation mit einem Universitätsinstitut für Mathematik in Berlin entwickelt).

 

Ansteckung: Professor Hofer erzählte im Verlauf der Führung, dass man häufig erst nach einiger Zeit herausfinde, ob ein Virus vom Tier auf den Menschen übertragen werde. So hätten Menschenaffen ihre Pfleger angesteckt, was man erst nach einiger Zeit herausfand. (Welche Krankheit das war, habe ich mir nicht notiert.)

Kuhpocken sind bei Ratten sehr verbreitet. Den gesunden Ratten schaden die Kuhpockenviren wohl nicht, aber sie steckten andere Tier damit an. Allerdings gelte für Ratten wie für Menschen, dass gesunde Individuen bei intaktem Immunsystem häufig keinen Schaden nähmen, bei geschwächtem Allgemeinzustand könne so ein Virus aber den Tod bedeuten.

Um auf die Kuhpocken zurückzukommen: Die Ratten hatten offenbar Elefanten angesteckt. Diese hatten am ganzen Körper schwärzende Stellen, auch die Fußnägel waren befallen. Der Elefant (die Elefanten?) musste getötet werden. Auch beim Tierpfleger entdeckte man schwarze Stellen am Hals. Sie haben ihm nicht weiter geschadet. Nach einiger Zeit (ob mit oder ohne Medikamente, habe ich nicht gefragt) haben die Stellen sich zurückgebildet. Der Tierpfleger konnte wieder als gesund gelten. Nicht gefragt habe ich, ob der Tierpfleger den Virus weitergeben konnte, an andere Tiere oder Menschen. Ich nehme an, ja, warum sollte der Mensch anders funktionieren als Ratten.

 

Woher/wie kann Knut sich angesteckt haben? Ich habe nicht erwartet, dass Dr. Szentiks meine Frage beantwortet. Hat sie natürlich auch nicht. Dann könnte sie ja gleich die Bild-Zeitung um Veröffentlichung bitten. Es bleiben die üblichen Verdächtigen: Tiere, Menschen, Futter, Wasser, Erde, Luft. Mir fielen die vielen Ratten und Mäuse ein, die im Zoo herumliefen. Dr. Szentiks reagierte leicht gereizt und betonte, dass es Ratten bei jeder Hühner- und Kaninchenhaltung gebe. Ich wollte den Zoo ja gar nicht anklagen, mir war und ist klar, dass man Mäuse und Ratten und andere eindringende Wildtiere (Füchse) und Katzen gar nicht verhindern kann. Aber mir fiel ein, dass Knut zum Entsetzen der Besucher im Frühjahr 2008 eine Ratte verspeist und sich das blutige Maul abgeleckt hatte, gerade als ich von den großen Eisbären zurückkam. Er sah zufrieden aus. Jedenfalls kommen Ratten als Quelle der Infizierung in Frage, finde ich.

 

Spurensuche: Dr. Szentiks sagte auf meine Frage, sie hätten eine Vermutung, seien dem möglichen Erreger auf der Spur. Wenn sie ein Ergebnis hätten, würden sie es veröffentlichen. Dann würde auch ich es nachlesen können. Und dann kann man auch Vermutungen darüber anstellen, wo und wie Knut sich angesteckt hat, sage ich.

 

Nachbemerkung: Die meisten Informationen sind bekannt. Ich finde es trotzdem interessant, diese aus dem Munde von Dr. Szentiks und Prof. Hofer erfahren und die Gelegenheit gehabt zu haben, nachzufragen.

Das Institut ist international sehr renommiert, die Mitarbeiter sind sympathisch und überaus kompetent. Ich war beeindruckt und fühle mich bereichert.

Der nächste Tag der offenen Tür ist im Winterhalbjahr.

 

Anneliese Klumbies, Hamburg 21.7. und 24.7.2011

 

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